Sprecher: radio eins: Hauptsache Mensch – die ARD-Themenwoche Krebs
Intro (Anja Caspari): Können Krebspatienten lachen? Wie
reagieren Angehörige auf die Nachricht, dass es Krebs in der Familie gibt, und wie geht man mit dem drohenden Tod um?
– Vor acht Jahren erkrankte der Autor Wulf Schröder an Hodenkrebs. Über seine Erfahrungen mit der Krankheit
hat er ein Buch geschrieben. In »Der Feind in meinem Körper« beschreibt er seine persönlichen
Ängste und Hoffnungen – und zeigt, wie man mit der Krankheit zu leben lernt. Wulf Schröder jetzt live auf
radio eins. –
Anja Caspari für radio eins: Guten Tag, Herr Schröder ...
Wulf Schröder: Guten Tag, Frau Caspari ...
r1: Wie ist das, wenn man die Diagnose »Krebs« bekommt – was macht das mit einem?
WS: Ja, was macht das mit einem? Da gibt es natürlich zunächst mal ein ganz großes
Erschrecken und auch eine Fassungslosigkeit, weil man zwar schon oft von dieser Krankheit gehört hat, aber
natürlich überhaupt nicht damit rechnet, selbst betroffen zu sein ...
r1: Wenn die Diagnose noch frisch ist, und man anfängt, sich überhaupt erst mal mit dieser
Krankheit zu beschäftigen, mit Krebs – was ist dann das Wichtigste?
WS: Das Wichtigste ist zunächst einmal, mit sich selbst klarzukommen, die Diagnose zu akzeptieren,
und – die Füße am Boden zu behalten. Das ist, denke ich mal, der erste Schritt. Und
erfahrungsgemäß dauert das eigentlich nur ein paar Tage, bis dann der Patient soweit ist, dass er sich in das,
was da nun mal auf ihn zukommt, fügt, und irgendwo auch willig fügt, denn es ist ihm ja darum zu tun, seinen
Leib zu retten, möchte ich mal sagen.
Die zweite Sache ist natürlich, dass es wichtig ist, sich mit seiner speziellen Erkrankung auseinanderzusetzen, und
mit den möglichen Therapieformen; insbesondere, um dann auch den Therapieansätzen entsprechend folgen zu
können, den Vorschlägen folgen zu können, und die Therapie dann auch verantwortlich mittragen – und
überzeugt mittragen zu können. Man muss also informiert sein, kurz gesagt.
r1: Dass man Sicherheit auch bekommt, deswegen ist sicherlich die Information über die Krebsart auch
wichtig. Das ist die eine Sache. Sie schreiben in Ihrem Buch aber auch sehr anschaulich, wie wichtig diese
Selbstsicherheit ist, das Selbstbewusstsein, das man braucht, um vor allen Dingen vor den Ärzten und dem
Krankenhausbetrieb zu bestehen. Bei Ihnen fing das schon ganz früh an mit dem Hausarzt. Wenn Sie uns das noch mal
schildern könnten?
WS: Ja, beispielsweise war es so, dass ich mich seinerzeit schon – ich sage mal, etwa ein
Vierteljahr – mit diesen Symptomen herumgetragen hatte, und etwa ein Vierteljahr auch schon bei einem Hausarzt in
Behandlung war. Der Arzt dachte, das sei eine harmlose Entzündung des Nebenhodens, vielleicht eine Torsion, irgendwie
eine ungeschickte Berührung, irgendwas in dieser Art, und hat eigentlich auf Entzündung behandelt; während
ich in zunehmendem Maße beunruhigt war, da sich überhaupt keine Besserung einstellte und die Schmerzen auch
dauerhaft und sehr heftig anhielten. Und ich habe dann – wirklich nach einem Vierteljahr erst – auf die
Überweisung zu einem Facharzt gedrungen, das heißt, wirklich Auge-in-Auge gesagt: Nein,
ich verlasse Ihre Praxis nicht, ohne dass Sie mir diese Überweisung geben. So (...) ist es eventuell eben auch
anzuraten, wenn Sie verunsichert sind, sich eine zweite oder auch dritte Meinung einzuholen.
r1: Ich stelle es mir auch sehr schwer vor, Herr Schröder, wenn die Diagnose Krebs frisch ist
– dann hat man ja wahrscheinlich sowieso immer ganz nah am Wasser gebaut. Die Nerven liegen blank, ein Wettlauf mit
der Zeit beginnt ... In dieser Situation dann erstens stark zu bleiben, und dann auch noch entscheidungsfähig
zu sein – zum Beispiel, ob man jetzt eine Chemotherapie will oder nicht ...?
WS: Ja, das ist genau das Problem. Man befindet sich ja eigentlich in einer Situation – ja, fast
der Defensive ... und man hat kaum Kraft übrig für den Kampf. Insofern rate ich eben auch dazu, sich starke
Partner zu suchen. Das kann der persönliche Partner sein, das heißt, Ehemann, Ehefrau, Freund, Freundin, das
können Leute aus dem Bekanntenkreis sein, andere Leute aus der Verwandtschaft, die offen genug sind und bereit, sich
mit dieser Erkrankung und den Therapieformen auseinanderzusetzen. Und wichtig ist sicherlich auch, da jemand Starken an der
Seite zu haben, der vielleicht – ja – in Diskussionen auch mal mit eingreift und einem zur Seite steht.
r1: Wie wünscht man sich als Krebspatient denn überhaupt das soziale Umfeld, die
Angehörigen, die Freunde? Sollen die neugierig und offen gegenüber dem Thema sein, sollen die Fragen stellen zum
Krebs, sollen die auch spontan trösten, oder ihre eigenen Ängste formulieren? –
Oder: hat man’s lieber, wenn die sich eher so taktvoll zurückziehen und abwarten?
WS: Ja, was man sich am meisten wünscht, ist natürlich ein normales Gegenüber, und das
ist fast unmöglich. Weil natürlich der Angehörige, der Freund, der Arbeitskollege – die sind
natürlich auch überfordert von der Situation, und werfen scheele Blicke zur Seite, und: » ... uhuhu, um
Gottes willen, wenn ich jetzt da hinfahre, wie soll ich den ansprechen ...?« –
Was ich für ganz falsch halte in dem Zusammenhang, sind übertriebene Schwülstigkeiten, sich vor dem
Patienten in Tränen auszubreiten ...
Das heißt, was man eigentlich erwartet, ist das, was man sonst im Leben in Krisensituationen auch erwartet: einen
möglichst kühlen, überlegten Freund oder Partner an seiner Seite, der im richtigen Moment einem vielleicht
mal die Hand drückt, die Wange streichelt, und ansonsten bestrebt ist, da an einer Problemlösung mitzuwirken.
r1: Ich danke Ihnen. – Wulf Schröder war das, alles Gute für Sie, auch für Ihr Buch,
das sicherlich vielen in ihrer Situation helfen kann. Dieser Ratgeber für Krebspatienten heißt »Der Feind
in meinem Körper« und ist erschienen im Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main.
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